Die Aprilhexe by Majgull Axelsson

Autor:Majgull Axelsson [Majgull Axelsson]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783843714211
Herausgeber: List Taschenbuch
veröffentlicht: 2017-03-09T16:00:00+00:00

Die Kirschbaumprinzessin

»Leg deine Hand in meine, wenn du willst.

Ich bin nicht Einer, der bleibt, um aus Liebe Saft und Kraft zu saugen.

Ich bin einer, den es immer weitertreibt.

Ein verführerisches Wanderlied

zog mich schon früh fort von der Heimat Küste.

Ich bin nur Einer, der vorüberzieht.

Leg deine Hand in meine, wenn du willst.«

HJALMAR GULLBERG

Margareta drückt ihre Zigarette genau in dem Moment aus, als die Tür hinter Christina ins Schloß fällt; sie lehnt sich in dem alten Küchenstuhl zurück und streckt sich. Es ist wohl am besten, wenn sie so schnell wie möglich abdeckt. Damit die gnädige Frau nicht einen Herzschlag vor Bestürzung bekommt, wenn sie zu früh nach Hause kommen und immer noch das Frühstücksgeschirr auf dem Tisch vorfinden sollte.

Es hat Margareta schon immer gewundert, daß Christina, die doch sonst so methodisch alle übrigen Rituale und Signale des Bildungsbürgertums gelernt hat, nie begriff, daß Saubermachen nicht besonders hoch im Kurs steht. Was anderes ist es natürlich mit Körperpflege und Kleidung. Geduschter Körper, saubere Kleidung und eine schmutzige Wohnung, so lautet die Parole. Wenn die Ecken staubfrei sind, deutet das auf kleinbürgerliche Pingeligkeit hin. Oder noch schlimmer: auf proletarische Unterlegenheitsgefühle. Nur wer etwas zu verbergen hat, braucht absolute Ordentlichkeit um sich herum. In diesem Punkt war sie selbst fraglos tüchtiger als Christina, den Lebensstil der Gesellschaftsklasse anzunehmen, der beide nunmehr angehören. Ihre Wohnung in Kiruna befindet sich in einem Zustand konstanten Chaos. Aber das macht nichts, denn diejenigen, die zufällig hereinschauen, sind Physiker wie sie selbst und lachen nur, wenn sie sich mit ihrem Standardspruch zu entschuldigen versucht:

»Die Entropie wächst. Besonders bei mir daheim.«

Aber ehrlich gesagt hätte sie gar nichts dagegen, wenn es bei ihr wie bei Christina aussähe. Es ist angenehm mit kristallklaren Fensterscheiben, durch die das Mondlicht hereinsickert, mit einem Küchenfußboden, dessen breite Dielen samtweich gescheuert sind, und einem Flickenteppich, der so sauber ist, daß man jede Farbnuance im Gewebe erkennen kann. Aber was für Arbeit! Außerdem ist sicher Erik – und ganz besonders sein geerbtes Geld – eine der Voraussetzungen, daß Christina es so haben kann, wie sie es hat. Margareta hingegen hat es immer vorgezogen, ihre Männer etwas auf Abstand zu halten, auch wenn sie fette Sparschweine ihr eigen nannten. Das Anstrengende an den meisten Männern ist, daß sie sich selbst als Hauptperson nicht nur ihres eigenen Lebens sehen, sondern auch noch im Leben einer Frau, und Margareta möchte keine Nebenrolle in ihrer eigenen Geschichte spielen.

Aber jetzt will sie sich jedenfalls erst mal im Haus umschauen. Gestern abend hat sie im Wohnzimmer einen Schrank entdeckt, der ihr Interesse geweckt hat. Er sah aus wie ein kleiner Altar mit weißem Deckchen, Zinnkerzenständer und einem alten Foto einer jungen, pausbäckigen Ellen. Es gibt Grund zu der Annahme, daß dieser Schrank Geheimnisse in sich birgt. Interessante Geheimnisse.

Margareta wischt sich ihre vom Abwasch feuchten Hände an der Jeans ab und schiebt die eine Hälfte der Doppeltür zum Wohnzimmer auf. Sie knarrt ein wenig. In die Küche scheint die Morgensonne hinein, aber hier drin herrscht immer noch graue Dämmerung. Sie bleibt eine Weile in der Tür stehen und schaut sich langsam um, kopfschüttelnd.

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